Schnappschuss 68: Geschichten hinter großen Leinwänden
Aus dem neuen Schnappschuss: "Behind the Scenes"
All Photos by Eddy Chen, courtesy of HBO.
Filme und Serien haben eine ganz eigene Faszination: Sie bieten eine Flucht aus dem Alltag, entführen uns in andere Welten, lassen uns mit unserern Lieblingscharakteren mitfiebern und erzählen einzigartige Geschichten. Der Fotograf Eddy Chen arbeitet dort, wo zahlreiche dieser Geschichten zum Leben erweckt werden.
Mit seinen Behind the Scenes-Fotografien gewährt er einzigartige Einblicke in Hollywood-Produktionen wie Euphoria, Glee, Animal Kingdom oder The Idol und hat sich mit seinem einzigartigen Stil schon längst einen Namen in der Branche gemacht. Umso dankbarer sind wir, dass Eddy sich die Zeit für ein Interview mit uns genommen und uns einen exklusiven Blick hinter die Kulissen eines professionellen Filmsets und seinen ganz besonderen Stil gewährt hat.
Seine Begeisterung für die Fotografie wurde Eddy quasi in die Wiege gelegt: "Mein Vater war ein begeisterter Amateurfotograf", verrät er uns. "Während andere Kinder mit Spielzeug aufwuchsen, bekam ich seine alten Kameras. So wurde schon früh meine Liebe zur Fotografie geweckt."
Die Liebe zur Fotografie blieb. "Fotografie ist für mich die beste Art, meine Kreativität auszudrücken. Sie hält mich gesund. Ich fühle mich seltsam, wenn ich nicht mindestens ein Foto am Tag mache." Geplant hatte Eddy seine Karriere als Set-Fotograf allerdings nicht. Als er 2007 nach Los Angeles zog, um als professioneller Fotograf zu arbeiten, begann er zunächst als Assistent in der Unterhaltungsbranche: "Ich hatte nie die feste Absicht, Set-Fotograf zu werden, aber ganz groß in Los Angeles ist die Unterhaltungsbranche. Ich habe viele Bar Mizwas und Hochzeiten fotografiert, als sich zufällig die Gelegenheit ergab, Fotos am Set einer Fernsehshow zu machen. Der Übergang geschah fast über Nacht."
Mit der Zeit machte sich Eddy schnell einen Namen in der Branche. Vor allem durch seinen besonderen Stil, der unter anderem in der Leica Gallery in Los Angeles zu bewundern war. Die Besonderheit: Alle der in der Ausstellung gezeigten Bilder vom Set der HBO-Serie "The Idol" entstanden analog auf einem 35mm-Film, belichtet mit einer Leica MP und einer Leica M7.
Generell fühlt sich Eddy in der Analogfotografie zu Hause. "Ich glaube, das ist auch ein bisschen mit Nostalgie verbunden", berichtet er. "Ich bin mit den alten Analogkameras aufgewachsen, die mein Vater mir geschenkt hat."
Besonders in der Analogfotografie ist für ihn die damit immer verbundene Aufregung. Denn im Gegensatz zur Digitalfotografie ist hier das fertige Bild erst nach der Entwicklung sichtbar: "Manchmal hattest du schon eine Vorstellung davon, wie das Bild aussehen würde, und ab und zu gibt es angenehme Überraschungen oder glückliche Zufälle."
Darüber hinaus haben analoge Fotos einen ganz besonderen ästhetischen Reiz für ihn: "Für mich ist es einfach auch ästhetisch ansprechender als ein digitales Foto", verrät er uns. Sein Fokus auf der Analogfotografie solle aber in keinem Fall die digitale Fotografie ersetzen: "Ich glaube nicht, dass es darum geht, zum Film zurückzukehren, sondern darum, die Leute daran zu erinnern, dass es noch eine andere Möglichkeit oder einen anderen kreativen Ansatz für ein Projekt gibt als nur den digitalen."
Bei seiner Arbeit verfolgt Eddy einen fotojournalistischen Ansatz: "Ich finde, dass die schönsten Motive die sind, die zwischen den Posen liegen. Die Momente, in denen die Person locker ist und sich ganz natürlich verhält", berichtet er.
Diese aus dem Moment selbst heraus stammenden Aufnahmen sind das, was Eddys Arbeit so besonders macht. "Ich möchte, dass meine Bilder authentisch und unverfälscht sind. Ich möchte die Momente dazwischen einfachen, und ich möchte, dass diese Momente beim Betrachter Emotionen auslösen. Ich möchte, dass der Betrachter das Gefühl hat, dass er dabei war. Oft gelingen mir die besten Bilder kurz bevor der Regisseur Action ruft, wenn die Schauspieler in ihre Rolle hineinfinden, oder kurz nachdem er Cut ruft, wenn sie wieder aus der Rolle kommen."
Eddys Bilder erzählen die zahlreichen Geschichten hinter den Geschichten, die wir so sehr lieben. Sie erlauben uns einen Blick in eine Welt, die sonst verborgen bliebe, und fangen die einzigartige Atmosphäre hinter den Kulissen ein.
Der eher journalistische Ansatz, den Eddy verfolgt, bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich: "Ich würde sagen, dass der schwierigste Teil meiner Arbeit darin besteht, eine Beziehung zu den Talenten aufzubauen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich möchte die Art von Fotos machen dürfen, die man normalerweise nicht bekommen würde. Bevor ich mit dem Fotografieren starte, beobachte ich den Raum immer ganz genau."
Präsent genug zu sein, um den richtigen Moment zu erfassen, ohne dabei die Dreharbeiten zu stören, ist am Set einer professionellen Film- und Serienproduktion enorm wichtig. Denn hier ist Einiges los, und deutlich mehr Personen beteiligt, als man sich das vielleicht zunächst vorstellt: "Man braucht wirklich ein kleines Dorf, um eine Fernsehserie zu produzieren", berichtet Eddy. "Es sind so viele Abteilungen (Produktionsdesign, Setdekoration, Requisiten, Hair & Make-Up, Ton, Grips, Kamera...) und so viele talentierte Menschen beteiligt, die mit ihrer gemeinsamen Kunstfertigkeit das Endprodukt schaffen, das wir auf der Leinwand sehen."
Eine gute Zusammenarbeit mit der gesamten Crew ist daher für Eddy besonders wichtig: "Als fotografen sind wir Teil des Kamerateams, bei dem du dich beliebt machen solltest. Wenn wenig Platz zur Verfügung steht - und das kann oft passieren, werden sie Platz für dich machen. Ich glaube, es ist eine Faustregel, mit allen am Set klarzukommen. Uns verbindet alle das gemeinsame Ziel, ein fantastisches Endprodukt zu bekommen."
Als Teil der Crew wurde Eddy einmal sogar selbst zum Schauspieler: "Der Regisseur Sam Levinson kam bei 'The Idol' auf mich zu und fragte, ob ich die Rolle des Fotografen für die Eröffnungssequenz der Show übernehmen könne. Ich arbeite schon seit mehreren Jahren mit Sam zusammen, und so war es für mich ein Leichtes, Ja zu sagen. Im Wesentllichen habe ich die Rolle des Fotografen gespielt, der Lilys Figur Jocelyn für ihr Albumcover fotografiert. Sam sagte: Benutzt eure echten Kameras. Es war die erste Sprechrolle, die ich je übernommen habe und es war cool, in der Szene mit der reizenden Lily-Rose Depp zu sein. Ich habe die tollsten Fotos von Lily in dieser Szene bekommen. Kurz vor der Premiere in Cannes schrieb Sam mir eine SMS mit dem Inhalt: Die erste Stimme, die die Franzosen hören werden, ist deine. Das war unvergesslich."
Die Frage, ob er denn auch schon einmal jemanden aus der Crew für die Fotografie begeistern konnte, brachte Eddy zum Lachen: "Ich habe das Gefühl, dass ich ständig versuche, Kamerapraktikanten, Verlader und Hilfskräfte im Kamerateam davon zu überzeugen, ihren Beruf zu wechseln und Fotografen zu werden." Denn die Arbeit als Set-Fotograf sei definitiv der beste Job am Set. "Du bist zwar Teil des Kamerateams, aber wirst von niemandem am Set beaufsichtigt, da du vom Studio oder dem Sender selbst engagiert wirst, die aber selbst nie vor Ort sind. Du kannst schnell an einen Punkt kommen, an dem darauf vertraut wird, dass du gute Arbeit leistest und so völlig freie Hand hast."
Auch, wenn er schon viele Sets in Hollywood kennenglernt hat, gäbe es noch eines, das ihn sehr reinzen würde. Ich würde gern bei einem Wes-Anderson-Film fotografieren! Die Geschichten, die er erzählt, und wie er sie mit den Farben und der Symmetrie, die er verwendet, verwebt, sind für mich ein solches Spektakel", verrät Eddy uns am Schluss des Interviews. Und natürlich ist längst klar, wie er hier vorgehen würde: "Es wäre ein Traum, das alles auf Film festzuhalten."
weitere Infos und mehr Werke des Künstlers:
Eddy Chen
Instagram: @likethejetsons
Webseite: www.eddychenphotography.com