
Bildbäcker aus Leidenschaft
Aus dem aktuellen Schnappschuss: "Humor"
Stell dir vor, du sitzt in einem riesigen Sandkasten. Die Optionen für Gestaltung sind endlos. Zeit ist egal. Du kannst experimentieren und ausprobieren, bis dir die Gedanken und Ideen aus dem Kopf fallen. Genau so kann es für einen Fotografen sein, der mit dem Thema Bildbearbeitung, Post-Production oder Editing spielt. Die meisten nutzen Tools, um kleinere Korrekturen von Farbe, Licht und Zuschnitt zu optimieren. Bei Ingo Lindmeier ist es fast schon eine persönliche Challenge, seine Fantasie zum Leben zu erwecken. Der Fotograf baut seine eigenen Motive und hat eines immer im Sinn: Spaß!


Als ich, Ingo Lindmeier, Bilderbäcker aus Leidenschaft, von Foto Koch für den Schnappschuss „Humor“ angefragt wurde, stand ich sofort Kopf. Genau meine T-Shirt-Weite, dachte ich. Da es mir förmlich im Blut liegt, witzige Geschichten zu erzählen, sind über die vergangenen Jahre Hunderte von Bildkreationen entstanden. Meine Arbeit als Digital Artist zeichnen vor allem Wortspiele und wilde Composings aus, die sich im ersten Moment gar nicht zusammenmischen lassen wollen. Gerne füge ich meinen fotorealistischen Bildrezepten auch eine Tasse Skurrilität und einen Hauch von Gänsehaut hinzu. „Straight ist langweilig“, lautet meine Devise. Deshalb kombiniere ich die haarsträubendsten Motive wie Frisuren und Nahrungsmittel ohne Berührungsängste miteinander.
Menschen spielen als Verwandlungskünstler „tragende Rollen“, wie zum Beispiel als surreale Pop-Art-Taschenschildkröte. Ich bin ein richtiges Spielkind und werde wohl nie erwachsen. Rasieren muss ich mich trotzdem, und aus dieser lästigen Tätigkeit ist die etwas spaßigere Rasenmähermann-Variante entstanden. Manchmal greife ich einfach aktuelle Situationen wie Maurizio Cattelans getapte Banane „Comedian“ auf, setze sie in einen anderen Kontext, um mich und meine Artgenossen damit etwas auf die Sch(r)ippe zu nehmen.
„ ... Ich werde nicht müde, meine Motive auf abstruseste Weise zu verschmelzen.“
Allzu ernst sind meine Composings also nicht immer zu nehmen, vor allem, wenn es sich um die Umsetzung von Wortspielen handelt. So manchem Veggimal stehen sonst die Haare zu Berge, wenn sie sich als Büffelmozzarella, Tomatenfrosch oder Brotkehlchen wiederfinden. Tiere, alle Arten von Früchten und Gemüsesorten sind meine größten Ideengeber. Ich werde nicht müde, sie immer wieder auf abstruseste Weise zu verschmelzen. Da kommt schon mal ein Girackel und ein Dackaffe heraus und die Liste derer, die für diese süßen Geschöpfe ein neues Zuhause anbieten, füllt sich schnell. Ein echtes Zugpferd war nicht nur eine Neuinterpretation dieser gängigen Wortkombination, sondern auch die niedliche Federmaus aus dem Fabuleon-Universum. Wie so ein kleiner fehlender Buchstabe ein ganzes Tier verändern kann ?
Obwohl die Leute mir nicht immer alles abnehmen sollten, was ich an leckeren Bildern fabriziere, nehme ich es manchmal sehr wörtlich. So ist aus der englischen Dragon Fly (Libelle), wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, ein geradezu fabelhaftes Composing geworden. „Mind blowing“ hat meine Hirnwindungen vielleicht ein bisschen zu sehr angeregt. Für den Geschmack von so manchen habe ich die sogenannte graue Masse einfach grauenvoll in Szene gesetzt. Und vom Cereal Killer will ich erst gar nicht reden.




Viele Zutaten für das optimale Rezept
Wie zum Bäckermeister ich allerdings einen KlingelStreichKäse, einen PlatzAngstHasen, Lampenfieber oder Kiwi Wonder darstellen soll, da stehe ich ganz schön im Mehlstaub. Vielleicht habt ihr ja eine pfiffige Rezeptidee? Ich bin kein klassischer Bildbearbeiter, sondern, wie am Anfang erwähnt, ein Bilderbäcker. Nicht nur Humor ist ein bewährter Inhaltsstoff meiner Backwaren. Grundbestandteil ist meistens der surreale Ausdruck. Gerne wandle ich meine Rezepturen immer wieder ab. Eine Prise Gesellschaftskritik, eine große Portion Spielsinn, eine Messerspitze Tragik oder ein Schuss Pädagogik finden sich immer wieder in meinem Bildersortiment.
Es gibt nicht die „eine“ Herangehensweise, wie meine Bilder bzw. Composings entstehen. Manchmal ist es ein Stockfoto, das als Trigger fungiert, manchmal ein Wortspiel oder eine frühmorgendliche „Hirnbrezel“, die in den Bilderofen will. Dann knete ich eine erste grobe Skizze direkt in Adobe Photoshop, bei der ich ein buntes Allerlei an Zutaten (Adobe Stock, Pixabay, Pixelsquid und andere Datenbanken) kombiniere, bis der Bildentwurf knusprig genug ist ? oder auch nicht. Es ist oft ganz schön chaotisch in meiner Backstube. Das Gehen des Bilderteigs ist manchmal sehr zeitintensiv. Die Schwierigkeit in diesem Schritt ist es, die richtigen Motive mit der passenden Perspektive und Qualität zu entdecken. Es kommt nicht selten vor, dass sich auf dem Weg etwas ganz anderes ausformt. Nun geht es ans Feintuning: Licht. Schatten. Übergänge. Farben. Schärfe. Final kommt dann noch eine Retuscheebene obendrauf, auf der ich alles, was noch fehlt, von Hand modelliere. Zum Schluss kippe ich das Motiv noch in den RAW-Entwickler und backe es fertig.
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Ingo Lindmeier